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“Ten Days that shook the City”

21. November von Kathrin | Einsortiert unter Besucher, Freunde, Verschiedenes.

Euer Interesse an unserem Alltagsleben ist zum Glück sehr groß – trotzdem will ich heute mal über ein fast schon geschichtliches Thema schreiben, dass zur Zeit auch ein bißchen unser Alltagsleben in San Francisco berührt.

Denn zehn Tage im November 1978 haben die Stadt nachhaltig verändert. Jetzt, da sich die Ereignisse zum 30. mal jähren, sind die Zeitungen und Nachrichtenmagazine voll mit Berichten von Zeit- und Augenzeugen. Mich hat besonders ein Artikel im SF Chronicle beeindruckt. Vielleicht weil ich von diesen Ereignissen bisher kaum etwas wusste, vielleicht aber auch weil die “Protagonistin” bzw. die Autorin des Artikels damals genauso alt war wie ich.

Jackie Speier arbeitete 1978 für den Kongressabgeordneten Leo Ryan. Der erhält immer mehr Briefe von Eltern, deren Kinder Mitglied in der Sekte “People’s Temple” werden. Die Sekte verließ Mitte der 70er Jahre Kalifornien mit ihrem Gründer und Führer, Jim Jones (dem Sohn eines Ku-Klux-Clan-Anhägers), nachdem immer mehr Berichte über Drogenexzesse und sexuellen Mißbrauch an die Öffentlichkeit gelangen. Auf Gyana will Jones mit seinen Anhängern und dem mittlerweile mehrere Millionen umfassenden Vermögen der Sekte ein Paradies errichten. Zentrum ist die nach ihm benannte Hauptstadt Jonestown.

Der Kongressabgeordnete Leo Ryan entschließt sich, sich vor Ort selbst ein Bild zu machen, und reist mit einer kleinen Delegation von Journalisten und seiner Mitarbeiterin Jackie Speier nach Gyana. Im Laufe ihrer Gespäche mit Mitgliedern der Sekte, wenden sich immer mehr Menschen an ihn und bitten ihn um Hilfe, da sie gegen ihren Willen festgehalten werden. Ryan versucht mehrere Flugzeuge zu organisieren und wird zwischenzeitlich sogar von einem Sektenmitglied mit dem Messer angegriffen. Die Stimmung wird zunehmend aggressiver und die Gruppe beschließt gemeinsam zum Flughafen zu fahren. Während einige Mitglieder in die Flugzeuge steigen, eröffnen die Begleiter plötzlich das Feuer und beginnen auf die Delegation zu schießen. Jackie Speier kann sich zunächst hinter einem Flugzeugreifen verstecken, wird dann aber entdeckt und es wird aus nächster Nähe fünfmal auf sie geschossen.

Leo Ryan, drei Journalisten und ein Sektenmitglied, das fliehen wollte, sterben. In ihrem Artikel beschreibt Jackie Speier sehr eindringlich die nächsten Stunden und Tage: erst nach 22 Stunden trifft Hilfe ein und erst nach mehreren Operationen können die Ärtze ihren rechten Arm und ihr rechtes Bein vor der Amputation bewahren. Heute vertritt Jackie Speier diesen Wahlkreis im Kongress.

Doch in Jonestown macht der Sektenführer seine Ankündigung der “White Night” wahr und insgesamt 909 Mitglieder der “People Temple” begehen mit einem Giftcocktail Selbstmord. Darunter viele junge Menschen und Kinder aus San Francisco.

Neun Tage später wird die Stadt von der nächsten Katastrophe erschüttert, die jedoch nichts mit dem Massenselbstmord der Sektenmitglieder zu tun hat! Der Stadtverordnete Harvey Milk und der Bürgermeister von San Francisco, George Moscone, werden in der City Hall vom ehemaligen Stadtverordneten Dan White erschossen. Milk ist der erste sich offen bekennende schwule Politiker – er wurde 1977 nach mehreren gescheiterten Anläufen als Stadtverordneter gewählt. Dies war damals (auch in San Francisco) eine Sensation.

1978 nun tritt der konservative Stadtverordnete Dan White aus Ärger über die Lokalpolitik von seinem Amt zurück. Wenige Zeit später überlegt er es sich anders und bittet Bürgermeister Moscone ihn wieder einzusetzen. Moscone kommt dieser Bitte jedoch nicht nach; aus juristischen Gründen ist ein Wiedereinsetzen nicht möglich, dies bestätigt auch Milk.

Aus Wut darüber erschießt White die beiden.

Später bekommt White ein sehr mildes Urteil (sieben Jahre), seine Anwälte argumentieren, dass eine kurzfristige Unzurechnungsfähigkeit auf den Genuß von zu viel Fast-Food zurückzuführen ist (dafür hab ich allerdings nur eine Quelle gefunden).

Harvey Milk hat seit seiner Kandidatur Morddrohungen erhalten und darauf so geantwortet:

If a bullet should enter my brain, let that bullet destroy every closet door.

Für die Schwulen- und Lesbenbewegung ist Milk zu einem Idol geworden, aber die jüngsten Demonstrationen um die Prop 8 zeigen, dass von Gleichberechtigung noch nicht die Rede sein kann. Die Geschichte um Milk und Moscone wurde übringes gerade mit Sean Penn verfilmt und kommt in 6 Tagen in die amerikanischen Kinos.

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2 Antworten to ““Ten Days that shook the City””

  1. Eva | 21/11/08

    Ich geh mal davon aus, dass Du noch keinen College Platz bekommen hast?
    Oder wie findest Du die Zeit so umfassend und interessant zu berichten ;)
    Wie is denn das mit der Wäsche ausgegangen?

  2. Kathrin | 22/11/08

    Oh, danke schön! Nee, hab gerade mal das Angebot der Unis eingermaßen gesichtet. Bis März muss ich mich bewerben!
    Die Wäsche war ganz schön “fuzzy”. Aber jetzt funktioniert zum Glück die Waschmaschine im Haus wieder!

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